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Ein Kind wie Haut und Knochen

Das Gesicht der Hungersnot am Horn von Afrika

Ein Kind wie Haut und Knochen: Mihag ist das Gesicht der Hungersnot. Der Junge (7Monate) wiegt nicht mehr als ein Neugeborenes.

Dadaab (Kenia) – Die Haut des Babys knittert wie papierdünnes Leder, wenn die Mutter ihm sacht über die eingefallenen Wangen streicht. Mihag Gedi Farah ist sieben Monate alt und wiegt mit 3400 Gramm so viel wie ein Neugeborenes. Die Augen des Jungen starren übergroß aus dem knochigen Gesicht, jede Rippe zeichnet sich ab, die Ärmchen gleichen dürren Zweigen. So sieht sie aus, die Hungersnot am Horn von Afrika.

Video: Horn von Afrika Somalia Hunger

[jwplayer player=“1″ mediaid=“39177″] Hilfsorganisationen befürchten, dass in der Region 800 000 Kinder wie Mihag sterben könnten. So schnell wie möglich versuchen sie, Nahrung in die gefährlichen und bislang abgeschnittenen Dürreregionen Somalias zu bringen. Wer weiß, wie viele hungernde Kinder noch dort sind, weit entfernt von den Ärzten und Helfern und ihren Nährlösungen im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia. Mihag hat es ins Lazarett geschafft Seine Überlebenschance schätzt die Krankenschwester Sirat Amine auf 50:50. Ein Kind seines Alters müsste drei Mal so viel wiegen. Seine Mutter Asiah Dagane wedelt ihm mit einem Zipfel ihres Kopftuchs die Fliegen aus dem Gesicht und versucht, den schwach vor sich hin jammernden Jungen zu trösten. „Es geht mir nicht gut”, sagt sie leise. „Mein Baby ist krank. In meinem Kopf bin ich auch krank.” Zuhause ist niemand mehr Der Winzling mit dem Greisengesicht ist das jüngste von sieben Kindern. Dagane machte sich mit ihm und vier Geschwistern nach Kenia auf, als daheim in Kismayo alle ihre Schafe eingegangen waren, wie sie mit Hilfe eines Dolmetschers berichtet. Wie zehntausende andere Somalier auf der Flucht vor dem Hungertod marschierte die Familie zu Fuß durch den Staub, wenn sie nicht manchmal von einem Wagen ein Stück mitgenommen wurde. Nun wacht Dagane auf der Station über ihren Sohn, inmitten all der anderen Mütter mit ihren Babys an Infusionsschläuchen. Manche Kinder schreien, andere liegen apathisch da. In der Mitte des Raums hängt eine Korbwaage – dass viele der Kleinkinder lebensbedrohlich unterernährt sind, sieht man auch so. Abdi Ibrahim Yara traf vor drei Wochen mit seinen vier Kindern ein, darunter einjährige Zwillinge. 25 Tage lang war die Familie unterwegs gewesen, als seine schwangere Frau an Unterernährung starb. „Zuhause hatten wir ein gutes Leben, aber jetzt ist niemand mehr da”, sagt Yara. Die Ankömmlinge im Lazarett, zumeist aus der Mitte Somalias zwischen Kismayo und Mogadischu stammend, klagten alle über schwere Unterernährung, sagt Schwester Abukar Abdule. „Wir müssen sie mindestens eine Woche lang behandeln”, sagt sie. „Sie haben nicht zu essen, kein Obdach, kein Wasser. Manche sind krank. Manche sterben unterwegs. Viele Mütter, die hierher kommen, haben Kinder verloren.” Hoffnung bis zuletzt Mehr als elf Millionen Menschen in Ostafrika leiden nach Schätzung der Vereinten Nationen unter der Dürre. Am schwersten trifft es 3,7 Millionen Menschen in Somalia, wo der Bürgerkrieg die Lage noch verschlimmert und die berüchtigten Al-Schabab-Milizen in manchen Landesteilen Hilfe von außen verhindern. Mit einer Luftbrücke hoffen die UN nun Notrationen für mindestens 175 000 der 2,2 Millionen Somalier einzufliegen, die bislang noch keine Hilfe erreicht hat. Das könnte den Flüchtlingsstrom nach Kenia verringern, wo schon zigtausende Zuflucht gesucht haben. Im Flüchtlingslager wird Mihag von der Krankenschwester begutachtet und gemessen. „Ernstlich, ernstlich unterernährt” sei der Kleine, stellt sie fest. „Wir sagen der Mutter natürlich nie, dass ihr Kind es vielleicht nicht schafft”, erklärt die Schwester. „Wir versuchen, ihnen Hoffnung zu geben.” Auch die BILD-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ versucht die Not am Horn von Afrika zu lindern und Hoffnung zu schenken. Per Soforthilfe unterstützt der Verein die Hilfsorganisationen Humedica, LandsAid, AMREF und Unicef Deutschland die mit Einsatzteams vor Ort sind und Medikamente, Trinkwasser, Nahrungsmittel und Hilfsgüter zu den Betroffenen bringen.
Themen: humanitäre Hilfe Naturkatastrophe