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Betty Taube besucht Kinderheim

„Auch meine Mama war keine Mama für mich!“

20.12.2022

Lautes Lachen hallt durch die Wohnküche der Caritas-Einrichtung St. Josef. Es duftet nach Weihnachtkeksen.

„Man sieht ganz genau, wer schon genascht hat und wer nicht“, sagt Betty Taube (28) schmunzelnd und zeigt auf die Mehlflecken auf Kims (17) T-Shirt. Das Mädchen fängt an, zu Lachen. Betty stimmt fröhlich mit ein.

Der Besuch im Berliner Kinderheim ist für das Model eine bittersüße Reise in die Vergangenheit. „Ich habe viele Jahre meiner Kindheit selbst in einer Wohngruppe verbracht“, sagt sie. „Als ich mit 18 auszog, habe ich mir geschworen: Wenn ich älter bin, komme ich zurück. Um den Kindern zu helfen, denen es genauso geht wie mir damals.“

Eine Einrichtung, die Geborgenheit schenkt

Zehn Jahre ist das nun her. Und Betty hält ihr Versprechen. Beim Plätzchen backen zaubert sie den Kindern ein Lächeln ins Gesicht. Bis zu 36 Jungen und Mädchen haben in dem Kinder- und Jugendhaus ein neues Zuhause gefunden. Ein Zuhause mit Liebe, Geborgenheit und Schutz – etwas, dass ihnen ihre Eltern nicht geben konnten.

Doch das Geld ist knapp – die Kinder leben hier auf Hartz IV-Niveau. Mehr zahlt der Staat der Einrichtung nicht. Für Hobbys, Ausflüge oder die Klassenreise ist das Geld knapp. Die fünf Erzieher um Einrichtungsleiterin Monika Kießig (52) versuchen, das mit Fürsorge und Liebe auszugleichen.

Die Kinder werden rund um die Uhr betreut, ein Erzieher kümmert sich 24 Stunden um zehn Kinder. „Das ist der Betreuungsschlüssel, der in Berlin so vorgegeben ist. Man kann sich vorstellen, dass das nicht immer einfach ist.“

Betreuung während der Pandemie war schwierig

Gerade in der Corona-Zeit war das schwierig. Die Schulen waren geschlossen – und die Erzieher mussten die Kinder in der Einrichtung unterrichten. „Die Kinder sind in unterschiedlichem Alter, auf unterschiedlichen Schulen. Wir hatten auch nicht genügend Laptops für alle.“

Die BILD-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ unterstütze die Caritas-Einrichtung, und übernahm die Kosten für studentische Hilfskräfte, sogenannte „Studybuddys“ oder „Bildungsbuddys“.

Für die Kinder in der Caritas-Einrichtung ist diese Betreuung besonders wichtig. Monika Kießig erklärt: „Sie sind schon dadurch traumatisiert, da sie nicht mehr Zuhause bei ihren Eltern leben können. Das fangen wir so gut es geht auf. Für uns ist die Arbeit nicht nur ein Job. Wenn wir hier sind, geben wir 150 Prozent. Das hat jedes der Kinder verdient!“

Die Weihnachtszeit geht ans gebrochene Herz

Besonders die Weihnachtszeit ist für die Kinder nicht leicht. Das weiß auch Betty: „Viele verbinden diese Zeit mit der Familie. Ich selbst hatte wie die Kinder hier keine Familie. Weihnachten war deshalb für mich nie toll.“

Als Betty zehn Jahre alt ist, wird sie von ihrer Mutter getrennt, aus ihrem Zuhause in Berlin gerissen – und in ein Kinderheim außerhalb der Stadt gebracht. Das Model zu BILD: „Meine Mama war abhängig. Wäre ich noch länger bei ihr geblieben, hätte ich wahrscheinlich nicht diesen Weg gehen können, den ich gegangen bin.“

Betty startete ihre Karriere mit 19 Jahren in Heidi Klums Casting-Show „Germanys Next Topmodel“. Inzwischen arbeitet sie als erfolgreiches Model, ist in den sozialen Netzwerken ein Star (1,2 Mio. Follower auf Instagram).

Betty wurde die Kindheit gestohlen

Der Weg dahin war nicht leicht. „Ich musste schon sehr früh selbstständig sein, bin allein in den Kindergarten gegangen und habe mir mein Essen selbst gemacht. Ich durfte kein Kind sein. Meine Kindheit wurde mir quasi weggenommen.“

Auch an die Zeit in der Wohngruppe hat Betty nicht nur gute Erinnerungen: „Ich musste jedes halbe Jahr zum Hilfeplan-Gespräch. Wenn ich mich da beschwert habe, dass etwas in der Wohngruppe nicht so gut läuft, wurde ich als die Böse dargestellt. Dass ich mir das nur ausdenke, weil ich gerade Aufmerksamkeit möchte. Mich hat nie jemand für voll genommen. Meine Probleme waren denen nicht wichtig genug.“

Kurz nach ihrem 18. Geburtstag zog Betty aus. „Ich wollte so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen.“

Doch vor den Wunden ihrer Kindheit konnte sie nicht davonlaufen. „Ich habe in den letzten Jahren viel Therapie gemacht und an mir gearbeitet. Jetzt kann ich den Kindern, die in der gleichen Situation sind wie ich, etwas zurückgeben. Und ich bin froh zu sehen, wie schön sie es in dieser Einrichtung haben! Das ist ganz anders als bei mir damals.“

Verständnis für die Kinder

Zu diesen Kindern gehören auch Kim und Diana (17). Kim war neun Jahre alt, als sie in die Wohngruppe der Caritas zog, Diana acht. Diana zu BILD: „Meine Mutter hat ein Alkohol- und Drogenproblem. Drogen nimmt sie jetzt nicht mehr so viele. Aber sie trinkt Alkohol.“ Auch Kim konnte nicht mehr zu Hause bleiben.

„Meine Mutter kam mit ihren Kindern nicht klar. Bevor ich hierherkam, hatte sie noch mich und meine zwei kleinen Geschwister bei sich. Insgesamt hat sie sieben Kinder. Davon lebt keines mehr bei ihr.“ Ihre Stimme bricht, Kim kämpft mit den Tränen: „Sie war weg, hat angefangen, Gras zu rauchen und viel Blödsinn gemacht. Ich musste in jungen Jahren schon viel Verantwortung übernehmen und auf meine jüngeren Geschwister aufpassen.“

Erfahrungen, die verbinden – und die auch Betty kennt. „Es ist erstaunlich, wie viel uns verbindet. Auch meine Mama war keine Mama für mich. Ich kann mich so gut in Kim und Diana hineinfühlen. Was sie durchmachen müssen. Mir tut das so leid.“

Dann bricht auch Bettys Stimme, sie weint: „Ich wünschte, ich könnte jedes einzelne von diesen Kindern einmal in mich reinpacken. Damit sie sehen, dass alles gut wird. Ich weiß selbst: Es gibt auch Tage, an denen man sich fragt: Warum muss gerade ich das erleben? Warum können meine Eltern nicht so sein wie alle? Bin ich nicht gut genug?“

Gegen diese Selbstzweifel hat Betty eine Therapie gemacht. Und auch Kim und Diana lassen sich helfen. „Wir sind froh und dankbar, in dieser Wohngruppe zu sein“, sagen die Mädchen.

So können Sie helfen

Die BILD-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ setzt sich mit aller Kraft für Kinder ein, die nicht bei ihren Eltern leben können und dauerhaft ein neues Zuhause brauchen. Wenn auch sie solche Einrichtungen unterstützen möchten, dann spenden Sie bitte an:

Wenn Sie Kindern helfen möchten, dann spenden Sie bitte an:

BILD hilft e.V. Ein Herz für Kinder

IBAN: DE60 2007 0000 0067 6767 00

BIC: DEUTDEHH

oder spenden Sie online unter www.ein-herz-fuer-kinder.de oder unter www.paypal.me/einherzfuerkinder