Die tapfere Familie aus Brandenburg und ihr schweres Schicksal

Ich muss Abschied von meinem Leben nehmen

29.07.2006

Die Kinder von Kai verstehen es wohl noch nicht. Ihr Papa wird nicht mehr lange bei ihnen sein. Er ist unheilbar krank.

Vor drei Monaten erfuhr Polizist und Tanzlehrer Kai Sievers (40) aus Falkensee (Havelland), dass er ALS hat, Amyotrophe Lateralsklerose. Er muss ohne die Hoffnung auf Heilung weiterleben.

„Ich nehme Tabletten und gehe zur Reha“, sagt er. „Aber das sind eher Beruhigungsmaßnahmen. Mein Zustand verschlechtert sich schleichend.“

Er möchte Söhnchen Timon (2) und die kleine Anika (4 Monate) aufwachsen sehen, so lange wie möglich. Der Vater: „Die Krankheit ist pausenlos präsent. Ich kann Timon nicht ins Bettchen tragen. Und wenn ich im Haus auf ein Spielzeugauto trete, falle ich schon hin…“

Er arbeitet weiter als Polizeibeamter, sagt: „Morgens muss ich quer über den Berliner Alexanderplatz, mit Krücke. Danach bin ich so fertig, als hätte ich den Arbeitstag schon hinter mir.“

Die Krankheit wird nach und nach seinen Körper lähmen. „Meine Frau hat Angst, dass ich unausstehlich werde, wenn ich mich nicht mehr bewegen kann“, sagt er. „Es wird ein ganz fieser Tod sein. Ich will nicht beatmet und künstlich ernährt werden. Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn ein Flugzeug auf mich drauf fallen würde. Dann wäre es gleich vorbei.“

Ehefrau Manuela (35) weint, als er das sagt. In ihrem Kopf und in der Wirbelsäule wurden im Juni sieben Tumore gefunden. „Ich habe immer an Gott geglaubt“, sagt sie, „gehe auch gern in die Kirche. Ich bete. Aber ich frage mich schon, warum Gott uns nicht hilft.“

Zu ihrem tragischen Schicksal kommen auch noch Geldprobleme. „Wir müssen das Haus umbauen. Ich wünsche mir einen Aufzug, damit ich später mit dem Rollstuhl oben ins Kinderzimmer fahren kann. Allein der Aufzug kostet 40 000 Euro.“

Im September wollte er mit der Familie in den Urlaub fliegen, nach Korfu. Der Vater: „Neuerdings habe ich auch noch Platzangst. Das fing bei der Computertomographie an, in der Röhre. Ich halte es auch nicht mehr in einem Flugzeug aus. Dabei bin ich vorher immer gern geflogen. Den Urlaub müssen wir absagen.

Aber in meinem nächsten Leben bin ich bestimmt Pilot.“ Der Vater weiter: „Ich soll Abschied nehmen von allen Dingen. Ich bin ja ein Gast auf der Erde, ein Besucher. Am Ende verabschiedet man sich. Aber wann? Eigentlich wollte ich mit 60 das Haus abbezahlt haben, aufhören zu arbeiten und mit meiner Familie das Leben genießen…“

Nach medizinischen Prognosen bleiben ihm maximal 20 Jahre.

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