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Nach dem Balkan-Jahrhunderthochwasser

Jovan (4): Der Junge, der in der Flut seine Stimme verlor

Die Menschen auf dem Balkan leiden unter der Jahrhundert-Flut. Einer von ihnen ist Jovan (4) – er hat seine Stimme verloren.

Belgrad – Die Wassermassen sind zwar zurück gegangen. Aber die Menschen leidet immer noch an den Folgen der schwersten Überschwemmungen, die den Balkan je getroffen hat. Mindestens 57 Menschen kamen ums Leben. Zehntausende verloren ihr zuhause. Sie können nicht zurück, nicht nur, weil die Häuser zerstört sind. Es gibt keinen Strom, die Kanalisation ist zerstört, Seuchen drohen. Landminen wurden durch das Wasser freigeschwemmt. BILD am SONNTAG hat das Flüchtlingslager in der Belgrader Kombank Arena besucht. Der Junge, der seine Stimme verlor Auf den Matratzenlagern hier leben auch viele Kinder. Einer von ihnen ist der vierjährige Jovan Boskovic. Die serbische Zeitung „Blic“ druckte das Bild des verängstigten Jungen auf ihrer Titelseite.

In der Kombank Arena nennen ihn die anderen Flüchtlinge „den Jungen, der seine Stimme verlor“.

Jovan sagt, seit die Flut in sein Dorf Obrenovac kam, kein Wort, er weint nur. In einem Schweinetraktor war er mit Mutter Tanja (42) und den Geschwistern in die Hauptstadt Belgrad evakuiert worden. Der Vater blieb zurück. Er wollte anderen helfen.

Seine Mutter Tanja Boskovic (42) erzählt: „Jovan hat zuerst nur geschwiegen, hatte seine Sprache verloren. Er hat die ganze Zeit nur vor sich hin geweint. Eine Psychologin hat mir gesagt, ich soll ihn am besten in Ruhe lassen, diese Art von Reaktion bei Kindern durchaus normal sei, wenn sie so schreckliche Erlebnisse zu verarbeiten haben.“

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Auch seine Schwester Katarina (3) wollte zunächst nicht sprechen. Tanja Boskovic: „Auch sie war sehr verstört. Durch die Erlebnis der Flut, hat sie plötzlich fürchterliche Angst vor Wasser.“

Jeden Tag steht Jovan am Fenster und wartet auf seinen Vater. Nur wenn jemand vorbeikommt, der ihm aus der Ferne ähnlich sieht, hört er kurz auf zu weinen. Denn er weiß: Erst wenn sein Vater zurückkehrt, beginnt für die Familie die Zukunft – so ungewiss sie auch zurzeit sein mag. Viele wissen nicht, was sie daheim erwartet

Andjela Azim (5) sitzt auf dem Schoß ihrer Mutter. Das Haus der Familie befindet sich auch in Obrenovac. Ob es noch steht, wissen sie nicht.

Als der Ort evakuiert wurde, war das Wasser noch nicht ganz an ihrem Haus angekommen.

Wir treffen Jovanka Markovic (85), sie liegt auf einer Decke an einer Treppe. Sie ist Witwe, ihr ganzes Herz gehört ihrer Katze Rosa. Die pensionierte Lehrerin musste ihr Haustier aber zurück lassen, als sie von Hilfskräften aus ihrem Haus gerettet wurde.

Jovanka Markovic: „Oh Gott, Rosa hat jetzt nichts mehr zu Essen. Wer weiß, wo sie jetzt ist. Ob sie überhaupt noch am Leben ist.“

Solidarität aus der ganzen Welt

Das Leid der Menschen vom Balkan hat die ganze Welt gerührt. In der Kombank Arena lagern unzählige Kleiderspenden, damit die Familien, die ihr gesamtes Hab und Gut ans Wasser verloren haben, wenigstens ihre Kleidung wechseln können.

In der Redaktion der serbischen Zeitung „Blic“ arbeiten die Journalisten Tag und Nacht an der Berichterstattung über die Flut. Ein Dinar pro verkauftem Exemplar wird an die Flutopfer gespendet.

Wie teuer der Wiederaufbau der betroffenen Regionen werden wird, ist noch nicht abzusehen.

Themen: humanitäre Hilfe Naturkatastrophe