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BILD bei den ärmsten Kindern von Phnom Penh in Kambodscha

Unser Zuhause ist der Friedhof

24.11.2014

Ein kleiner Friedhof in Phnom Penh, Hauptstadt Kambodschas. Auf den Gräbern der längst vergessenen Toten schlafen Kinder.

„Dich zu behalten, ist kein Gewinn, Dich zu verlieren, kein Verlust.“ (Pol Pot, Diktator Kambodschas, 1975-1979) ★★★ Was macht das mit den Menschen, wenn sie hören, dass ihr Leben nichts wert ist? Wir sind für „Ein Herz für Kinder“ in einem Land, das vor weniger als 40 Jahren fast ausgelöscht wurde. Über zwei Millionen Menschen ließ Diktator Pol Pot († 1998) von den Roten Khmer abschlachten.

Ein kleiner Friedhof in Phnom Penh, Hauptstadt Kambodschas. Auf den Gräbern der längst vergessenen Toten schlafen Kinder. Oder sie spielen, wenn sie nicht zu müde sind.

Der Friedhof ist ihre Heimat, weil es keinen anderen Platz für sie zum Leben gibt. Am Eingang zum Friedhof sagt eine alte Frau: „Wir sind 1985 hierher gekommen. Am Anfang war es unheimlich, wir hatten jede Nacht Albträume. Aber man gewöhnt sich an den Tod.“ Die Kinder hüpfen über Grabsteine wie auf einem Abenteuerspielplatz. Ihre Eltern arbeiten als Tagelöhner, als Putzfrau oder Tuk-Tuk-Fahrer. Manche fangen Schlangen, verkaufen sie für ein paar Cent als Delikatesse auf dem Markt.

Sie alle träumen von einem besseren Leben – aber die meisten Träume sind längst begraben auf dem kleinen Friedhof mitten in der 1,5-Millionen-Stadt.

„Diese Menschen brauchen Hilfe, besonders die Kinder“, sagt Samuel Pehlke (43). Der Krankenpfleger aus Deutschland reiste 2005 als Rucksack-Tourist in das südostasiatische Land. Zwei Jahre später kam er mit seiner Frau wieder – und blieb. „Das war ziemlich blauäugig. Wir hatten keinen Plan, wussten nur, dass wir helfen wollen.“

Aus einer fixen Idee entstand „Chibodia“ (Children in Cambodia, www.chibodia.org) eine private Hilfsorganisation mit heute 25 Mitarbeitern.

Sie kümmern sich in zwei Kinderheimen um 50 Jungen und Mädchen, 350 Kinder werden kostenfrei in der Landschule unterrichtet, zwei Ärzte sind ständig auf den Müllkippen der Stadt unterwegs. Suchen kranke, verletzte Kinder, um die schlimmsten Schmerzen zu lindern. Kinder, die sonst niemanden haben, der sich um sie sorgt.

„Mitleid ist Luxus“, sagt Samuel. „Wenn du jeden Tag ums Überleben kämpfen musst, um eine Schüssel Reis und einen sicheren Schlafplatz, dann hast du keine Zeit, dir um andere Gedanken zu machen.“

Samuel und sein Team haben sich den Luxus geleistet, Mitleid zu empfinden – und zu helfen. Zum Beispiel der kleinen Linda (5). Sie hat nur einen Wunsch: „Ich möchte zur Schule gehen, ich will lernen.“

Linda lebt auf der Müllkippe. Ist „leben“ das richtige Wort für ein Kind, das im Müll vegetiert?

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Die Eltern von Linda sammeln Müll. Fast 18 Stunden täglich fischen sie aus dem Abfall der Großstadt schmutzige Plastiktüten, waschen sie aus und verkaufen sie dann. Tausende von Tüten, jeden Tag. Für 20 Kilo gibt´s umgerechnet gerade mal vier Euro am Tag – damit muss die fünfköpfige Familie klarkommen.

Samuel sagt; „Der schönste Moment ist, wenn ich eines der Kinder nach gründlicher Prüfung der Verhältnisse abhole und zu uns ins Kinderheim bringe. Am Anfang dachte ich, dass sie schreien werden, aus Angst vor dem großen weißen Mann.“

Aber Kinder, die auf der Müllkippe oder dem Friedhof schlafen, die kennen keine Angst.

Samuel: „Die stehen da und strahlen mich an. Sie spüren, dass es für sie um eine Chance für eine bessere Zukunft geht.“

Nur vier Euro pro Tag kostet es, einem dieser Kinder in Phnom Penh ein Zuhause zu geben, ein Bett, eine Schulausbildung, medizinische Versorgung. Aber auch Liebe und Geborgenheit!

Nach sieben Jahren in Phnom Penh ist Samuel mit seiner Frau Anne und ihren beiden Kindern inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. Den Luxus, zu helfen, leistet er sich weiter: „Chibodia ist mein Lebensinhalt. Das war, neben meiner Hochzeit, das Wichtigste und Richtigste, was ich in meinem Leben gemacht habe.“

Auf die Info-Broschüren seiner Hilfsorganisation hat sich der große weiße Mann einen Spruch des genialen Albert Einstein drucken lassen: „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“

★★★

DÉSIRÉE NOSBUSCH „Diese Kinder brauchen unsere Hilfe“

„Ich bewundere Samuel für seine Arbeit“, sagt Désirée Nosbusch (49). Die Moderatorin unterstü̈tzt mit der BILD-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ das Projekt „Chibodia“. Die zweifache Mutter machte sich selbst ein Bild von den Zuständen vor Ort, besuchte die Kinder auf dem Friedhof und den Müllkippen – und die von Samuel geretteten Jungen und Mädchen im Kinderheim. Désirée: „Hier haben sie endlich ein Zuhause. Und eine Chance auf eine bessere Zukunft.“

Themen: Kinderschutz