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Vania (13) erzählt

So habe ich das Erdbeben überlebt

14.02.2011

Vania besucht den Unterricht in der Saint-François-des-Sales-Schule. Der 12.1. 2010 veränderte schlagartig Ihr Leben.

Vania (13) besucht den Notschul-Unterricht in der Saint-François-des-Sales-Schule der Ordensschwestern Petites Soeurs in Carrefour bei Port-au-Prince. Der 12. Januar 2010 veränderte schlagartig Ihr Leben. Mitten im Unterricht brach das Schulgebäude über ihr ein.

Genau ein Jahr danach legt die Kindernothilfe mit den Ordensschwestern den Grundstein für eine neue Schule für 1200 Kinder – finanziert wird diese Schule durch „Eim Herz für Kinder“.

Vania erzählt: „Unser Lehrer gab uns gerade die Schulhefte zurück, als es auf einmal einen lauten Knall gab. Vor Schreck sprang ich auf, verlor aber meinen Halt, weil plötzlich die ganze Erde schwankte. Steinbrocken prasselten auf uns herab, dann traf ein großer Stein mein linkes Bein und ein schrecklicher Schmerz durchzuckte mich.

Mein Lehrer hat es irgendwie geschafft, mich aus den Trümmern zu ziehen, aber mein Bein war schwer verletzt. Die nächsten neun Monate waren ganz schlimm. Ich kam in insgesamt sechs verschiedene Krankenhäuser – zunächst nach Carrefour, wo man mir aber wegen Überfüllung nicht helfen konnte.

Die Ärzte waren lange Zeit nicht sicher, ob sie mein Bein retten könnten. Schließlich wurde ich mit dem Helikopter auf ein Sanitätsschiff vor der Küste von Cap Haïtien gebracht, wo man mich mehrere Stunden operierte. Ich hatte große Blutverluste und wäre beinahe gestorben.

Nach vier Wochen konnte ich mich zum ersten Mal wieder im Bett aufrichten. Ich fühlte mich sehr allein ohne meine Eltern, aber die Leute auf dem Schiff haben sich auch um mich gekümmert, mir vorgelesen und mit mir Karten gespielt.

Nach zwei Monaten wurde ich in das „Hôpital de la rue de Frère“ in Pétionville verlegt und im Mai kam ich zum ersten Mal wieder nach Hause. Wegen der Implantate aus Metall, die mir eingesetzt wurden, um das Bein zu stabilisieren, musste ich allerdings noch fünf weitere Operationen überstehen. Im November konnte ich endlich zu meiner Familie zurück und muss jetzt einmal pro Woche zur Physiotherapie.

Als meine Mutter eines Morgens zu mir sagte, dass ich ab morgen wieder in die Schule gehen darf, habe ich vor Freude fast einen Luftsprung gemacht. Doch das klappt noch nicht mit meinem Bein.

Ingesamt aber waren die letzten Monate furchtbar. Ich dachte, ich könnte niemals mehr laufen. Ich habe mich geschämt, von anderen Menschen so abhängig zu sein. Dauernd brauche ich Hilfe, schon um die Treppen hoch und runter zu gehen.

Ich möchte mich aber nicht aufgeben. Ich möchte fleißig sein und einen Beruf erlernen. Die neue Schule, die von der Kindernothilfe wieder aufgebaut wird, ist behindertengerecht geplant, dort kann ich über Rampen – nicht über Treppen – in die Klassenzimmer gehen. Das schaffe ich dann auch mit meinen Krücken.“

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